Wenn Teams sagen, sie entscheiden gemeinsam und dann nichts passiert

Es gibt diese Momente in Teams, die sich so vertraut anfühlen, dass man sie fast überhört. Ein Thema liegt auf dem Tisch, alle nicken zustimmend, jemand sagt: „Das entscheiden wir gemeinsam.“ Und in diesem Moment scheint alles klar – weil „gemeinsam“ so schön nach Augenhöhe klingt, nach Mitbestimmung, nach diesem Ideal von Teamkultur, das wir alle irgendwie anstreben.

Doch wenn man ein paar Wochen später nachfragt, wie die Entscheidung gelaufen ist, hört man dann leider auch oft mal Sätze wie: „Wir haben’s noch nicht besprochen.“ oder „Da waren die Meinungen zu unterschiedlich.“ oder manchmal auch ganz ehrlich: „Irgendwie ist es versandet.“ Und genau da liegt der Punkt. Nicht, weil Teams keine Entscheidungen treffen wollen, sondern weil unklar bleibt, was „gemeinsam entscheiden“ eigentlich bedeutet.

Wenn gemeinsam eher heißt, dass keiner so richtig entscheidet

Karten des Entscheidungspokers liegen auf einem Holztisch. Darüber steht der Satz: „Gemeinsame Entscheidungen brauchen oft mehr Klarheit.“ in grüner Schrift mit violetten grafischen Akzenten und einem Icon zweier Personen, die sich abklatschen.

In der Theorie klingt es ja wunderbar, wenn ein Team sagt, es entscheidet gemeinsam. In der Praxis bedeutet es oft, dass man sich mit guten Absichten in einer Art freundlicher Endlosschleife bewegt: Es gibt Gespräche, Diskussionen, Abwägungen – aber am Ende bleibt die Entscheidung irgendwie liegen. Nicht, weil jemand blockiert, sondern weil niemand so richtig weiß, wie der Moment aussieht, in dem aus Reden wirklich Entscheiden wird.

Ich sehe das in vielen Teams und ehrlich gesagt passiert auch mir das manchmal. Man denkt, man habe sich geeinigt, aber eigentlich hat man nur aufgehört zu reden.

Wo Delegation Poker aufhört

Delegation Poker ist ein großartiges Tool, wenn es darum geht, Verantwortung sichtbar zu machen. Es zeigt, wie viel Entscheidungsspielraum ein Team hat und wo Führung noch gefragt ist. Aber das Spiel endet meist genau an der Stelle, an der es spannend wird. Nämlich dann, wenn die Karte „Team entscheidet“ auf dem Tisch liegt.

Alle nicken, das klingt nach Fortschritt, und gleichzeitig bleibt offen, wie dieses Team denn jetzt eigentlich entscheidet. Muss jede*r zustimmen? Reicht eine Mehrheit? Gibt es jemanden, der nach Rücksprache entscheidet? Diese Fragen tauchen erst danach auf, wenn man schon wieder mitten im Alltag ist und dann ist es zu spät, sie noch sauber zu klären.

Warum ich das Entscheidungs-Poker entwickelt habe

Ich habe über die Jahre so viele Runden Delegation Poker moderiert, dass mir irgendwann klar wurde: Es fehlt ein Schritt. Eine zweite Ebene, um genau dieses Wie zu besprechen, wenn das Wer schon beantwortet ist.

So ist das Entscheidungs-Poker entstanden. Das Prinzip bleibt gleich: Es geht um Verantwortung, um Beteiligung und darum, Gespräche anzustoßen. Aber statt nur zu klären, wer entscheidet, geht es nun auch darum, wie Entscheidungen tatsächlich getroffen werden, wenn sie im Team liegen. Manchmal reicht eine Runde, manchmal braucht es zwei. Und manchmal legen Teilnehmende einfach zwei Karten gleichzeitig – eine für das Wer, eine für das Wie – und allein das bringt schon erstaunlich viel Klarheit.

Wenn aus Reden wieder Bewegung wird

In der Praxis sieht das oft ganz unspektakulär aus: Ein Team wollte zum Beispiel die Urlaubsplanung „gemeinsam“ regeln. Das klang erstmal nach Selbstorganisation, fühlte sich aber schnell nach Chaos an. Nach dem Spiel war klar: Das Team entscheidet, aber eine Person koordiniert – nach Rücksprache. Und plötzlich war alles viel einfacher.

Ein anderes Team diskutierte über Feedback-Regeln. Alle wollten mitreden, aber keiner wollte am Ende widersprechen. Nach der zweiten Runde stand fest: Einstimmigkeit. Das braucht zwar mehr Zeit, war in diesem Fall aber genau richtig, weil es ein sensibles Thema war.

Und dann war da das Produktteam, das sich bei Toolentscheidungen immer wieder verlor, weil jeder dachte, jemand anderes entscheidet. Erst als klar wurde, dass die Führungskraft gar nicht entscheiden wollte, fiel die Spannung ab und das Gespräch kam endlich wieder in Bewegung.

Warum diese Gespräche so wertvoll sind

Was ich an solchen Runden mag, ist, dass sie keine Regeln erzeugen, sondern Verständigung. Sie schaffen Raum, um anzusprechen, was sonst ungesagt bleibt – oft in ganz ruhiger Atmosphäre, ohne Drama. Das Entscheidungs-Poker zwingt niemanden, neu zu führen oder Verantwortung abzugeben. Es hilft einfach, das, was ohnehin passiert, bewusst zu machen.

Und dieses Bewusstmachen verändert etwas. Nicht sofort, aber spürbar.

Zum Ausprobieren

Wenn du Lust hast, das mal auszuprobieren:
Das Entscheidungs-Poker gibt es als kostenlose PDF-Vorlage zum Ausdrucken: ideal für Teams, die sich an das Thema herantasten wollen. Und wer es lieber richtig in der Hand halten möchte: Das gedruckte Kartenset (80 Karten im Großformat, 70 × 120 mm, für bis zu 7 Personen) gibt’s im Shop.

Manchmal braucht es gar keine neue Methode, kein neues Framework, keine großen Worte. Manchmal reicht ein Gespräch und die ehrliche Frage: Wenn wir sagen, dass das Team entscheidet, was meinen wir eigentlich damit?

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Sprache als stilles Betriebssystem von Teams