Entscheidungspoker — wenn das Team entscheidet, aber niemand weiß wie

Manchmal sitzen Teams in einer Runde, spielen Delegation Poker und alles läuft gut. Dann fällt diese eine Karte, auf der steht: „Wir entscheiden das gemeinsam.“ Denn: Für diese eine, vielleicht jetzt ganz konkret anliegende Entscheidung lässt sich das oft gerade noch regeln. Dann entscheiden wir das jetzt. Aber: Wenn es generell darum geht, wie wir in regelmäßigen Abständen zu einer Entscheidung kommen, dann tun sich weitere Fragen auf:

a) Wer initiiert die Entscheidung? Wie schaffen wir es daran zu denken?
b) Wie genau entscheiden wir gemeinsam? Diskutieren wir? Ist es ein Konsens-Verfahren? Disagree and commit? Systemisches Konsensieren, also eine Widerstandsabfrage?


Also nicken erstmal alle, wenn es heißt “Wir entscheiden das gemeinsam.” und danach herrscht weiterhin Unklarheit.
Mit Glück kommt jemand auf die Idee zu fragen: „Und wie genau entscheidet das Team?“

Genau an diesem Punkt ist das Entscheidungs-Poker entstanden. Nicht, weil Delegation Poker nicht funktioniert – im Gegenteil. Es ist ein großartiges Tool, um ins Gespräch zu kommen, Verantwortung sichtbar zu machen und Führung zu reflektieren.

Aber es bleibt an einer Stelle offen: Was passiert, wenn die Verantwortung wirklich im Team liegt? Delegation Poker arbeitet im “Ich” und “Du”. Es hat eine zwei Personen Perspektive. Das ist okay, wenn es um Selbstorganisation im Team geht, dann brauchen wir aber mehr Perspektiven. Weil: Wir haben ein “Ich”, “Du”, ein “Wir” und auch ein “Ihr”. Die Dimensionen sind viel vielfältiger und komplexer. Das in nur einem Kartenspiel darzustellen ist schwierig. Darum ist sicher auch das Entscheidungs-Poker nicht perfekt. Auch weiterhin wird es notwendig sein zu sprechen. Das ist gut so, weil Sprechen ja vor allem das Ziel ist. Delegation Poker und Entscheidungs-Poker sind Vehikel, die das Sprechen anregen und unterstützen sollen. Und trotzdem: Ich habe in den letzten Jahren ständig Delegationsgrade erfunden, wenn ich mit Teams ein Delegationsboard entwickelt habe. Mit dem Entscheidungs-Poker werden es hoffentlich ein paar weniger.

Was Delegation Poker sichtbar macht und was oft fehlt

Delegation Poker fokussiert die Beziehung zwischen zwei Personen oder zwischen Führungskraft und Team. Es beantwortet also die Frage: Wer trifft die Entscheidung?

In der Praxis führt das häufig zu klaren, aber eben auch groben Ergebnissen. Manchmal kommt am Ende heraus: „Die Führungskraft entscheidet.“ Manchmal: „Das Team.“ Aber was genau heißt „Das Team entscheidet“?

  • Entscheidet eine Person stellvertretend?

  • Wird abgestimmt?

  • Müssen sich alle einig sein?

  • Oder entscheidet das Team vielleicht gar nicht wirklich, sondern nickt nur mit?

Diese Fragen bleiben oft offen und führen im Alltag zu kleinen Reibungen. Nicht, weil das Team unfähig wäre zu entscheiden, sondern weil das Wie nie wirklich besprochen wurde.

Eine zweite Dimension für echte Teamentscheidungen

Genau da setzt nun also das Entscheidungs-Poker an. Es funktioniert wie das Original, bringt aber eine zweite Dimension ins Spiel:
Wenn die Verantwortung ins Team delegiert wird - was bedeutet das dann im Team?

Neben den bekannten Stufen zwischen Führungskraft und Team (z. B. „Ich entscheide“, „Ich frage nach eurer Meinung“, „Wir entscheiden gemeinsam“) kommen hier vier weitere Perspektiven dazu, die innerhalb des Teams liegen.
Damit wird sichtbar, wie Verantwortung und Beteiligung sich verschieben, auch jenseits der formalen Führung.

Denn in selbstorganisierten Teams tauchen oft Fragen auf wie:

  • Wer trifft am Ende die Entscheidung, wenn mehrere Meinungen im Raum stehen?

  • Darf jemand einfach entscheiden, wenn er oder sie am meisten Expertise hat?

  • Oder wollen wir solche Dinge lieber gemeinsam aushandeln?

Das Entscheidungs-Poker schafft dafür eine einfache, spielerische Struktur.

So könnt ihr spielen

Das Grundprinzip bleibt gleich:
Ein Thema wird genannt, alle wählen verdeckt eine Karte, dann wird aufgedeckt, besprochen, verstanden, entschieden.
Aber mit den zusätzlichen Karten eröffnen sich neue Möglichkeiten.

Variante 1: Eine Runde, eine Karte:
Alle legen eine Karte, diskutieren, einigen sich.
So wie beim klassischen Delegation Poker.

Variante 2: Zwei Runden:
Erste Runde: Wer entscheidet? (Führungskraft ↔ Team)
Wenn das Ergebnis zeigt, dass das Team entscheidet, folgt eine zweite Runde: Wie entscheidet das Team?
Hier kommen dann die Karten 8–13 ins Spiel. Die Karten mit den inneren Team-Perspektiven.

Variante 3: Zwei Karten gleichzeitig:
Manchmal ist es hilfreich, gleich zwei Karten zu legen:
eine aus der ersten Dimension (Führungskraft ↔ Team) und eine aus der zweiten (Teammitglied ↔ Team).
So wird direkt sichtbar, wie komplex Entscheidungsprozesse wirklich sind und wo die Erwartungen auseinander laufen.

Variante 4: Direkt Teamkarten ziehen:
Wenn ihr ohnehin auf Teamebene unterwegs seid (z. B. in der Retrospektive oder bei Rollenfragen), könnt ihr direkt mit den Karten 8–13 arbeiten.

Beispiele aus der Praxis

Toolauswahl:
Der Product Owner denkt, das ist strategisch und liegt bei ihm. Das Team denkt, es betrifft ihre Arbeit direkt. In Runde eins wird klar: Es sollten alle gemeinsam entscheiden (Grad 5). In Runde zwei zeigt sich: Eigentlich soll die Entscheidung ein Teammitglied treffen, es sollen aber alle Meinungen eingeholt und berücksichtigt werden. Im Ergebnis Grad 10: Rücksprache.

Feedback-Regeln:
Alle sind sich einig: Das machen wir gemeinsam. Aber was heißt das genau? In der zweiten Runde wird klar: Wir wollen Einstimmigkeit, nicht Mehrheit (Grad 11). Und plötzlich ist klar, warum Entscheidungen zu Kulturthemen manchmal so zäh sind, weil sie viel Abstimmung brauchen.

Urlaubsplanung:
Führungskraft legt „Nachfragen“: das Team entscheidet, sie möchte aber informiert werden. Das Team legt „Übergeben“: Es will die volle Verantwortung. Das Gespräch danach klärt, was „informiert werden“ konkret heißt und warum die Info für die Führungskraft wichtig ist.

Warum zwei Runden so wertvoll sind

Zwei Runden helfen, Ebenen zu trennen:

  • Ebene 1: Wer trägt die Verantwortung?

  • Ebene 2: Wie wird entschieden, wenn die Verantwortung im Team liegt?

Diese Trennung schafft Klarheit, wo vorher Bauchgefühl oder eine oberflächliche Klärung war. Und manchmal verändert sich dadurch auch das Gespräch: Statt „Ich will das entscheiden“ oder „Das ist Teamsache“ lautet die neue Frage: „Wie können wir das so gestalten, dass sich alle handlungsfähig fühlen?“

Wann das Spiel besonders hilfreich ist

  • Wenn Verantwortung im Team unklar verteilt ist.

  • Wenn sich Entscheidungen immer wieder verzögern.

  • Wenn eine Führungskraft lernen möchte, loszulassen, aber sicherstellen will, dass Entscheidungen wirklich getroffen werden.

  • Wenn Teams selbstorganisiert arbeiten, aber nicht wissen, wie sie entscheiden sollen.

Das Entscheidungs-Poker bringt Struktur in genau diese Momente.

Für den Einstieg: kostenloses PDF

Damit ihr sofort loslegen könnt, gibt es das Entscheidungs-Poker als kostenlose PDF-Vorlage zum Ausdrucken.
Ideal für Workshops, Retrospektiven oder den schnellen Test im Team.

Für den dauerhaften Einsatz: das Kartenset

Wer das Spiel regelmäßig nutzen möchte, kann das gedruckte Kartenset bestellen:

  • 80 Karten im Großformat (70 × 120 mm)

  • 13 Entscheidungsstufen × 6 Personen + Anleitung

  • abgerundete Ecken, stabile Box

  • Preis: 49,90 € (inkl. MwSt.)

Zum Shop-Produkt

Und natürlich der Hinweis

Das Entscheidungs-Poker basiert auf dem Delegation Poker (Management 3.0, Jurgen Appelo, CC BY) und stellt eine Weiterentwicklung für den Teamalltag dar.

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