Wenn’s knirscht, bevor es kracht: Konflikte früh erkennen
Konflikte in Teams entstehen selten über Nacht oder so ganz spontan aus dem Nichts. Meist kündigen sie sich leise an: in kurzen Antworten, kleinen Spitzen oder einer spürbar anderen Energie im Raum. Wer diese feinen Signale erkennt, kann frühzeitig darüber sprechen, bevor sich Spannungen verfestigen.
Gerade als Agile Coach, Scrum Master*in oder Teamentwickler*in ist das eine deiner wichtigsten Aufgaben: nicht erst aktiv zu werden, wenn es kracht, sondern schon dann, wenn erste Irritationen sichtbar – oder spürbar – werden.
Warum wir frühe Konfliktsignale oft übersehen
Viele Teams – und auch wir als Begleiter*innen – haben gelernt, Konflikte zu vermeiden. Sie gelten als unangenehm, störend oder gar gefährlich. Also wird lieber geschwiegen, geschönt oder schnell das Thema gewechselt. Denn eine solche Situation ist einfach nicht schön und das Aushalten fällt uns auch gern mal schwer. Da schauen wir doch lieber wieder dorthin, wo es eben schön ist.
Doch in der Regel bleibt das Problem: Unausgesprochene Konflikte verschwinden nicht. Sie suchen sich andere Wege. Mal durch sarkastische Bemerkungen, mal durch stille Abwehr, mal durch endlose Nebendiskussionen. Wer hier früh hinhört und genau hinschaut, erkennt Muster, die später nur schwer aufzulösen sind.
Typische Signale für unterschwellige Konflikte im Team
Es gibt keine universelle Checkliste, aber einige typische Phänomene, die häufig in Teams auftreten, bevor ein Konflikt offen zutage tritt:
Gespräche werden knapper: Antworten sind kurz, der Austausch wirkt müde oder mechanisch.
Ironie nimmt zu: Was als Scherz daherkommt, enthält oft eine unterschwellige Spitze.
Entscheidungen ziehen sich: Nicht, weil sie komplex wären, sondern weil niemand die Verantwortung übernehmen will.
Stillstand im Workshop: Übungen laufen, aber ohne Energie. Beiträge bleiben vage, echte Beteiligung fehlt.
Wiederholungsschleifen: Bestimmte Themen tauchen immer wieder auf, ohne je richtig behandelt zu werden.
Diese Signale sind wie kleine Risse im Fundament. Früh erkannt, lassen sie sich leicht bearbeiten. Ignoriert man sie jedoch, werden sie zu groß, um sie leicht zu beheben.
Was du als Coach oder Facilitator tun kannst
Der erste Schritt: Erlaube dir selbst, feine Spannungen wahrzunehmen und deiner Beobachtung zu vertrauen. Du musst nicht sofort eingreifen oder analysieren. Oft reicht es, eine Beobachtung zu spiegeln:
„Ich habe den Eindruck, dass wir immer wieder an diesem Punkt landen.“
„Die Stimmung wirkt auf mich gerade angespannt. Wie nehmt ihr das wahr?“
„Ich habe das Gefühl, dass dieses Thema mehr Energie hat, als im Moment sichtbar wird.“
Solche Impulse sind keine Konfrontation, sondern Einladungen. Sie öffnen den Raum, damit das Team Verantwortung für seine Dynamik übernehmen kann, ohne dass du direkt in die Rolle einer Richterin oder des Retters rutschst.
Natürlich kann es sein, dass ein Team deine Wahrnehmung nicht teilt. Das ist okay: Zum einen wissen wir natürlich nie, ob du möglicherweise gerade versehentlich eigene Anteile mit in den Raum und damit deine Wahrnehmung bringst. Zum anderen brauchen Impulse manchmal Zeit. Ich habe in einem Workshop einmal meine Wahrnehmung gespiegelt, indem ich sagte: “Ich höre immer mal wieder unterschwellige Spitzen. Das kann an mir liegen oder die Stimmung hier ist angespannt.” Sofort wurde ich von einigen Teilnehmenden verteidigend gefragt: “Woran machst du das denn fest? Wo soll das gewesen sein? Hast du Beispiele, was du meinst?” Auch nach der Nennung von Beispielen war die Meinung im Raum einheitlich: Das ist nur meine Wahrnehmung.
In einer späteren Pause stand dann plötzlich eine Teilnehmerin bei mir und sagte: “Du hast schon recht. Oberflächlich funktioniert hier alles einigermaßen, aber in Wirklichkeit sind wir alle ziemlich voneinander genervt und die Stimmung ist ganz schön im Keller.”
Im Workshop konnte das nicht mehr bearbeitet werden, aber ich konnte zumindest in der Abschlussrunde noch einen zusätzlichen Impuls setzen. Nämlich den, dass es eine Bearbeitung braucht. Auch wenn nur eine Person im Raum das Gefühl hat, die Stimmung ist angespannt, lohnt es sich, das zu beleuchten. Denn: Acht Stunden am Tag voneinander genervt zu sein, mag sich für manche “normal” anfühlen, ich weiß aber aus Erfahrung: Das geht auch anders. Zusammenarbeiten kann anders sein.
Es hat weitere drei Monate gedauert, bis sich das Team wieder bei mir meldete und wir in einen Prozess gestartet sind, der aus unterschiedlichen Workshops in unterschiedlichen Konstellationen mit unterschiedlichen Zielsetzungen bestand.
Konflikte als Chance für Entwicklung
So unangenehm sie sich anfühlen mögen: Konflikte sind nicht das Ende von Zusammenarbeit, sondern oft der Anfang von echter Entwicklung. Sie zeigen, wo Bedürfnisse unausgesprochen bleiben, wo Strukturen fehlen oder wo alte Muster nicht mehr funktionieren.
Wer lernt, frühe Konfliktsignale in Teams zu erkennen und anzusprechen, kann Eskalationen nicht nur verhindern, sondern Räume für Lernen und Wachstum schaffen. Genau hier beginnt echte Teamentwicklung.
Lust auf mehr Praxis?
Wenn du diese feinen Signale im Team bewusster wahrnehmen und damit sicherer umgehen möchtest:
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