Methode im Fokus: Entscheidungsprozesse im Team bewusst gestalten
Von Konsens bis Konsent und warum Klarheit oft wichtiger ist als Einigkeit
Entscheidungen sind der Motor jeder Zusammenarbeit. Und trotzdem wird kaum eine Teamaktivität so häufig dem Zufall überlassen. Mal entscheidet die lauteste Stimme, mal die erfahrenste Person, mal das ganze Team – aber ohne klares Vorgehen. In agilen Kontexten, die Selbstorganisation und Verantwortung betonen, führt diese Unklarheit oft zu Frust, Stillstand oder informeller Machtverteilung.
Entscheidungsmethoden wie Daumenabfrage, systemisches Konsensieren oder Konsent-Verfahren bieten mehr als nur Struktur. Sie ermöglichen Beteiligung, Orientierung und Transparenz. Doch auch hier gilt: Nicht die Methode entscheidet über die Qualität, sondern der bewusste Umgang mit ihr.
Warum Entscheidungsprozesse so oft unklar bleiben
Viele Teams arbeiten nach dem Prinzip „Wir entscheiden gemeinsam.“ Aber was das konkret heißt, bleibt offen. Wird durch Mehrheit entschieden? Zählt das Veto einer einzelnen Person? Muss jede*r überzeugt sein? Oder entscheidet am Ende doch die Führungskraft?
Fehlende Klärung führt zu wiederkehrenden Problemen:
Endlose Diskussionen ohne Ergebnis
Entscheidungen, die zwar gefällt, aber nicht getragen werden
Rückzug einzelner, wenn ihre Stimmen nicht gehört werden
Machtverlagerung in informelle Strukturen („XY setzt sich eh immer durch“)
Entscheidungen brauchen Form – nicht um Prozesse zu verlangsamen, sondern um sie handhabbar zu machen.
Entscheidung ≠ Einigkeit
Ein häufiger Irrtum in Teams: Eine gute Entscheidung ist eine, mit der alle einverstanden sind. Denn dieses Ideal führt oft zu endlosen Schleifen oder zu faulen Kompromissen.
Gerade in agilen Teams ist es hilfreicher, die Frage zu stellen:
Ist die Entscheidung tragfähig, auch wenn ich selbst sie so nicht getroffen hätte?
Das ist der Kern des Konsent-Prinzips: es muss keine Einigkeit vorliegen, aber auch keine schwerwiegenden Einwände.
Drei Entscheidungsverfahren und wann sie sinnvoll sind
Systemisches Konsensieren
Die Gruppe bewertet verschiedene Vorschläge nicht nach Zustimmung, sondern nach Widerstand. Der Vorschlag mit dem geringsten Gesamtwiderstand gilt als tragfähigster Kompromiss.
Gut geeignet bei: komplexen Themen mit mehreren Lösungswegen.
Konsent-Verfahren (aus der Soziokratie)
Ein Vorschlag gilt als angenommen, wenn es keine schwerwiegenden, begründeten Einwände gibt. Der Fokus liegt auf Sicherheit und Weiterentwicklung statt auf Ideal-Lösungen.
Gut geeignet bei: Entscheidungen, die schnell und trotzdem fundiert getroffen werden müssen.
Delegation und Rollenklärung
Nicht jede Entscheidung muss im Plenum getroffen werden. Klar definierte Rollen mit Entscheidungsspielraum entlasten das Team – vorausgesetzt, der Rahmen ist gemeinsam geklärt.
Gut geeignet bei: Routinethemen oder Fragen mit klarer Zuständigkeit.
Was ein gutes Entscheidungsverfahren ausmacht
Es ist vorab geklärt, wie entschieden wird – nicht erst im Moment der Entscheidung.
Es ist bekannt, wer entscheiden darf, wer beteiligt wird und wer informiert wird.
Das Verfahren lässt Raum für Widerspruch, ohne Entscheidungen zu blockieren.
Es wird regelmäßig reflektiert und angepasst.
Praxisfragen zur Teamreflexion
Wie werden in unserem Team aktuell Entscheidungen getroffen – bewusst oder nebenbei?
Gibt es Entscheidungen, die regelmäßig aufgeschoben oder vertagt werden? Warum?
Wer trifft welche Entscheidungen und wissen das alle?
Wann wünschen wir uns mehr Beteiligung? Wann wäre Entlastung hilfreich?
Entscheidungen strukturieren nicht nur den Arbeitsalltag – sie strukturieren auch Beziehungen, Verantwortung und Vertrauen.
Ein transparentes Entscheidungsverfahren schafft Klarheit, ohne dass alle immer einer Meinung sein müssen. Und es schafft Sicherheit, weil nicht mehr die lauteste oder erfahrenste Person entscheidet, sondern der gemeinsam definierte Prozess.