Mehr fragen, weniger ansagen – warum Führung nicht leichter wird, wenn du alles vorgibst

Führung wird oft mit Antworten verwechselt. Wer führt, muss wissen, wie’s geht. Wer führt, muss die Richtung vorgeben. Wer führt, muss Entscheidungen treffen, wenn sonst niemand mehr weiterweiß.

Das ist auch nicht ganz falsch. Orientierung geben gehört dazu. Aber das Problem beginnt da, wo Führung zum Dauer-Ansage-Modus wird. Denn wer immer die Antworten liefert, sorgt dafür, dass andere gar nicht erst anfangen, eigene zu entwickeln. Wenn’s blöd läuft, landet damitdie Verantwortung für alles wieder bei dir.

Das fühlt sich nach Kontrolle an, ist in Wirklichkeit aber nur Dauerschleife: Dein Team kommt mit Problemen, du gibst Lösungen, sie gehen, machen, kommen wieder. Am Ende bist du erschöpft und alle anderen haben gelernt, dass man bei dir mit jeder Kleinigkeit landen kann.

Warum Fragen mehr bewirken als Antworten

Eine Führungskraft, die ich im Coaching begleitet habe, hat es genau so beschrieben: „Ich sitze in Meeting 27 dieser Woche. Kaum ist eins vorbei, steht die nächste Person im Türrahmen und will wissen, wie wir X regeln oder ob Y freigegeben wird. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich eigentlich meine Arbeit machen soll.“

Die schnelle Lösung wäre: Klarer delegieren, mehr Nein sagen, strengere Regeln. Alles berechtigte Punkte, leider gehen sie am Kern vorbei. Denn solange die Haltung bleibt: „Ich sag dir, wie es geht“, bleibt die Abhängigkeit bestehen.

Eine systemische Frage dagegen dreht das Spiel um: Statt: „Okay, dann mach es so.“ geht es hinzu: „Welche Optionen siehst du?“ oder auch zu: „Was hast du schon ausprobiert?“ oder vielleicht auch mal: „Was würde passieren, wenn du nichts machst?“

Klingt simpel, ist es aber nicht. Denn die Verantwortung wandert zurück. Plötzlich muss dein Gegenüber nachdenken, sich sortieren und Optionen entwickeln. Das bedeutet: Lernen.

„Aber die haben doch keine Ahnung …“

Genau hier kommt oft der Einwand: „Wenn ich sie einfach machen lasse, geht das doch schief.“ Ja, kann sein. Aber die Wahrheit ist: Es geht auch schief, wenn alles an dir hängt. Nur merkst du es dann später, weil du irgendwann der Flaschenhals bist. Fragen heißt nicht, dich rauszuziehen. Fragen heißt: Den Blickwinkel deines Gegenübers erweitern. Klar, manchmal brauchst du am Ende trotzdem eine Entscheidung. Aber der Weg dahin ist ein anderer und er entlastet dich, weil nicht jede Lösung auf deinem Mist wachsen muss.

Systemische Fragen erweitern den Blick

Das Spannende an systemischen Fragen ist: Sie holen Menschen aus ihrem gewohnten Tunnel: „Was glaubst du, wie die andere Abteilung das sieht?” oder „Woran würdest du merken, dass ihr auf dem richtigen Weg seid?“ oder „Was wäre die schlechteste Lösung und was können wir daraus lernen?“

Es geht nicht darum, rhetorische Spielchen zu spielen. Sondern darum, Denkbewegungen auszulösen. Oft reicht schon eine unerwartete Frage, damit jemand anders auf seine eigene Antwort stößt.

Ein Teamleiter, mit dem ich gearbeitet habe, war fest überzeugt: „Bei Konflikten muss ich sofort eingreifen, sonst eskaliert es.“ Eine einzige Frage hat seine Perspektive darauf gedreht: „Woran würdest du erkennen, dass dein Team es auch alleine schafft?“
Plötzlich ist ihm aufgefallen: Es gibt Situationen, in denen er bewusst nicht eingreifen sollte, sondern lediglich als Unterstützung da sein sollte und die Energie, die er sonst im Feuerwehrmodus verbrannt hat, konnte er anders einsetzen.

Warum das im Führungsalltag wichtig ist

Führung im Dauer-Ansage-Modus hat drei Nebenwirkungen:

  • Du wirst zum Flaschenhals. Jede Entscheidung muss durch dich. Das bremst, anstatt Tempo zu machen.

  • Dein Team wird passiv. Warum selbst überlegen, wenn du es eh besser weißt?

  • Die Konflikte verschwinden nicht. Sie bleiben, werden nur vertagt, bis sie irgendwann richtig teuer werden.

Eine fragende Haltung bedeutet nicht, dass du keine Entscheidungen mehr triffst. Sie bedeutet, dass du bewusst unterscheidest: Wo braucht es mein „So machen wir das“ und wo kann ich meinem Team zutrauen, eigene Lösungen zu entwickeln?

Kleine Schritte im Alltag

Das Gute ist: Du musst nicht von heute auf morgen alles umwerfen. Es reicht, klein anzufangen.

  • Beim nächsten Problem nicht sofort in Lösungen springen, sondern fragen: „Was wäre dein erster Schritt?“

  • Wenn jemand eine Entscheidung von dir will, einmal zurückgeben: „Was spricht dafür, was dagegen?“

  • Wenn eine Diskussion feststeckt, mal querfragen: „Welche Perspektive fehlt uns gerade?“

Das dauert manchmal länger als ein schnelles „Mach’s so“. Aber die Zeit, die du investierst, kommt doppelt zurück: in Form von Selbstverantwortung, Klarheit und weniger Abhängigkeit.

Führung heißt nämlich gar nicht, immer alles zu wissen oder alles zu entscheiden. Führung heißt, Räume zu schaffen, in denen andere ihre Lösungen finden können.

Systemische Fragen sind dafür kein Allheilmittel, aber eben ein wirksamer Hebel. Sie brechen Muster, verschieben Verantwortung, schaffen neue Gedanken und etwas Klarheit. Nebenbei erinnern sich dich daran: Es geht nicht darum, immer die klügste Antwort zu haben. Es geht darum, die klügsten Fragen zu stellen.

Lust, das auszuprobieren?

Im Snackables-Workshop „Systemische Fragen in der Teamarbeit“ schauen wir genau darauf: Wie stellst du die Fragen, die etwas in Bewegung bringen? Wie bleibst du in einer coachenden Haltung, auch wenn dein Reflex „Ich sag dir, wie es geht“ schreit? Und wie kannst du im Alltag mit kleinen Impulsen große Wirkung entfalten?

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