Ist das noch Diskussion oder schon Konflikt?

„Die diskutieren halt gern.“ — Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Manchmal beobachten wir eine hitzige Diskussion im Team und denken: passt schon. Gehört dazu. Reibung erzeugt Energie. Stimmt. Aber: Manchmal ist die Reibung eben nicht mehr konstruktiv. Sondern ein Zeichen, dass sich gerade etwas verhärtet. Dass aus der Diskussion ein Konflikt geworden ist und den bemerken wir oft erst, wenn es knallt. Oder sogar jemand geht.

Nicht jede Spannung ist ein Konflikt, aber jede Spannung verdient Aufmerksamkeit

Gute Teams diskutieren. Sie widersprechen sich. Sie ringen um Lösungen. Das ist nicht das Problem – im Gegenteil. Aber es macht einen Unterschied, ob wir widersprechen, wie wir es tun und worum es eigentlich wirklich geht.

Denn manchmal geht es vordergründig um das „Wie machen wir das?“ und darunter liegt ein „Ich fühle mich nicht gehört“, „Ich fühle mich übergangen“, „Ich will Einfluss nehmen, aber ich traue mich nicht mehr.“

Typische Anzeichen, dass aus Reibung ein Konflikt geworden ist:

  • Es geht nicht mehr ums Thema, sondern ums Prinzip.

  • Aussagen werden persönlicher – direkt oder subtil.

  • Es wird sarkastisch, spitz oder es herrscht betretenes Schweigen.

  • Die Diskussion wiederholt sich und wiederholt sich.

Wenn du sowas beobachtest, lohnt es sich, einmal innerlich auf Pause zu drücken. Nicht um direkt zu urteilen, sondern um wahrzunehmen: Was passiert hier gerade wirklich?

Beobachten und ansprechen, ohne zu dramatisieren

Du musst nicht sofort hochgradig intervenieren. Aber du darfst deine Beobachtung teilen. Und zwar ohne Analyse, ohne Vorwurf, ohne Lösung. Einfach so:

„Ich erlebe, dass das Thema bei euch gerade Spannung erzeugt. Stimmt das oder täusche ich mich?“

Mehr braucht es oft nicht. Kein Drama, kein Krisenmodus. Nur die Einladung, kurz innezuhalten. Und die Erfahrung zeigt: Allein durch diese Art des Ansprechens entsteht häufig schon ein bisschen mehr Luft zum Atmen.

Fragen, die Raum öffnen (und nicht gleich lösen wollen)

Ich bin ein großer Fan guter Fragen. Nicht, weil sie „clever“ sind, sondern weil sie bewegen können. Gute Fragen erzeugen kein Stressgefühl. Sie laden zum Denken ein, zum Sortieren und zum Perspektivwechsel.

Hier ein paar Fragen, die ich gern verwende – situationsabhängig, mit Feingefühl, nicht als Checkliste:

  • Was genau macht das Thema gerade schwierig für dich?

  • Was brauchst du, damit du dich mit deiner Sicht zeigen kannst?

  • Worum geht es dir wirklich jenseits der konkreten Entscheidung?

  • Was denkst du, wie die andere Person sich gerade fühlt?

  • Was würde passieren, wenn ihr euch das Thema mit etwas Abstand nochmal vornehmt?

Keine dieser Fragen ist magisch. Aber sie wirken, wenn sie ehrlich gemeint sind. Wenn du nicht weißt, was du sagen sollst: Stell eine echte Frage. Und halte die Stille aus, die danach kommt.

Früh erkennen, statt spät reagieren

Konflikte sind oft leise, bevor sie laut werden. Und sie beginnen selten in Meetings. Meistens irgendwo zwischen zwei Terminen. In einem Blick. In einem unausgesprochenen Ärger. In dem Moment, wo jemand denkt: „Das war jetzt nicht okay.“ und aber nichts sagt.

Was hilft, um diese frühen Signale zu sehen:

  • Körpersprache lesen (zieht sich jemand zurück? wird jemand übergangen?)

  • Sprachmuster erkennen (Ironie, Rechtfertigung, Vorwürfe)

  • Stimmung wahrnehmen (ist die Energie im Raum angespannt?)

  • Muster beobachten (kommt dieses Thema oder diese Spannung immer wieder?)

Du musst das nicht alles analysieren. Aber wenn du’s siehst, nimm’s ernst. Auch wenn es nur ein Verdacht ist. Teams danken es dir, wenn du Dinge mit ihnen anschaust, bevor sie über sie hereinbrechen.

Deine Rolle: Haltung zeigen statt vorschnell handeln

Du musst kein*e Konfliktlöser*in sein. Aber du kannst Haltung zeigen. Präsenz. Offenheit. Klarheit. Oft ist das schon genug.

Manchmal ist der richtige Moment ein kurzer Satz im Flur. Manchmal ein Einzelgespräch. Manchmal ein stilles Nicken in der Retro, das zeigt: Ich habe das auch wahrgenommen. Und manchmal braucht’s ein klares: „Wir sollten das nicht länger übergehen.“

Wenn du unsicher bist, wie du die Situation einschätzen kannst oder einfach Tools brauchst, die dir helfen, mit Spannungen souveräner umzugehen, dann ist der Snackable Workshop: Konfliktsignale im Team erkennen vielleicht etwas für dich.

Du musst nicht alles lösen, aber du darfst alles sehen

Teams brauchen keine perfekten Coaches oder heroischen Führungskräfte. Sie brauchen Menschen, die hinschauen. Die den Mut haben zu fragen und die Geduld, auf Antworten zu warten.

Konflikte lösen sich nicht durch Nachgeben oder durch Eskalation, sondern durch echte Begegnung. Und die beginnt oft mit einer Frage.

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Konflikte verstehen und begleiten: Die neun Eskalationsstufen nach Glasl