Agiles Arbeiten entsteht nicht am Board

Agiles Arbeiten ist in vielen Organisationen angekommen, zumindest auf dem Papier. Scrum, Kanban, OKRs, agile Boards, Stand-ups und Retrospektiven gehören oft längst zum Alltag. Aber auch wenn die Meetings pünktlich, die Boards aktuell und die Prozesse lean sind —echte Beweglichkeit, Zusammenarbeit auf Augenhöhe und gemeinsames Lernen entstehen damit nicht automatisch.

Agilität beginnt nicht im Backlog, sondern in der Haltung, im Miteinander, in der Fähigkeit zur Reflexion und in der Bereitschaft, Entscheidungen anders zu treffen.

Methoden geben Struktur – aber keine Haltung

Natürlich helfen Frameworks wie Scrum oder SAFe. Sie geben einen klaren Rahmen, fördern Transparenz und strukturieren Zusammenarbeit. Doch sie greifen zu kurz, wenn sie nicht mit Leben gefüllt werden.

Ein Planning ersetzt kein gemeinsames Zielverständnis.
Aus einem Review entsteht kein echter Lernmoment, wenn Feedback ritualisiert statt ernstgenommen wird.
Eine Retrospektive bleibt oberflächlich, wenn niemand sich traut, das wirklich Relevante anzusprechen.

Agilität beginnt nicht mit dem nächsten Sprint, sondern mit der Frage: Wie wollen wir zusammenarbeiten? Und warum?

Die unsichtbaren Aspekte agiler Zusammenarbeit

Viele entscheidende Elemente agiler Zusammenarbeit lassen sich nicht im Taskboard abbilden. Sie sind weicher, subtiler, aber zentral für Wirksamkeit:

Kachel mit Text: „Agil wird’s nicht im Prozess, sondern im Miteinander.“ Dazu eine Hand mit Küchenuhr und ein agiles Icon.

Haltung: Offenheit, Lernbereitschaft, Mut zur Unsicherheit
Beziehungsqualität: Vertrauen, Konfliktfähigkeit, echtes Zuhören
Selbststeuerung: Entscheidungen treffen, Verantwortung übernehmen, Prioritäten erkennen
Reflexionsfähigkeit: Innehalten, bewerten, umlernen statt einfach durchziehen

Diese Dimensionen machen Teams wirklich beweglich. Genau sie geraten oft aus dem Blick, wenn sich Agilität auf Methoden beschränkt und es wieder einmal nur darum geht, etwas richtig zu machen.

Woran erkennt man „echtes“ agiles Arbeiten?

Ein paar Gegenüberstellungen aus der Praxis:

  • Das Board ist aktuell – aber niemand weiß, was das Ziel ist

  • Die Retrospektive läuft – aber bringt keine Veränderung

  • Meetings sind effizient – aber uninspiriert

  • Rollen sind definiert – aber nicht ausgefüllt

Ein Team, das hingegen regelmäßig über seine Zusammenarbeit spricht, Spannungen offen anspricht und bereit ist, Entscheidungen zu hinterfragen, handelt agiler, auch wenn es keine Methode formal anwendet.

Ein Beispiel: Ein Team ersetzt die klassische Retro durch ein monatliches Dialogformat. Ohne feste Struktur, ohne Vorlage – einfach ein Raum, in dem die Frage gestellt wird: "Was beschäftigt uns gerade – fachlich, menschlich, strukturell?" Diese Gespräche bringen oft genau die Themen auf den Tisch, die vorher unter der Oberfläche lagen und machen echte Entwicklung möglich.

Was Teams wirklich voranbringt – jenseits der Methode

Was kannst du als Coach, Teamentwickler*in oder Führungskraft tun, um echtes agiles Arbeiten zu fördern?

Regelmäßige Reflexionsräume schaffen:
Zum Beispiel durch kurze wöchentliche Check-ins oder monatliche Rückblicke mit Fragen wie: Was fordert uns gerade? Was haben wir gelernt, das nicht im Backlog steht?

Die Metaebene einbauen:
In einem Sprint Review oder Teammeeting auch mal die Frage stellen: Arbeiten wir gerade so, wie wir arbeiten wollen?

Feedbackkultur stärken:
Regelmäßige Runden oder Formate, in denen Fragen wie "Was hätte ich gerne gesagt, habe mich aber nicht getraut?" Raum bekommen.

Die eigene Rolle reflektieren:
Als Führungskraft: Erlaube ich echte Selbstverantwortung oder kontrolliere ich nur smarter?
Als Coach: Bin ich methodenfokussiert oder begleite ich systemisch?

Tools, die Haltung stützen

Methoden sollten Teams nicht einschränken, sondern sie inspirieren. Hier einige Formate, die Haltung und Dialog fördern können:

  • Team Canvas: Klarheit über Zusammenarbeit und Erwartungen

  • Regelmäßige Wochenimpulse zur Selbstreflexion

  • 1:1-Formate, die nicht nur Performance, sondern Beziehung in den Blick nehmen

  • Stop-Doing-Listen, die Fokus schaffen und Überflüssiges sichtbar machen

Agilität ist eine Praxis – keine Vorschrift

Agiles Arbeiten entsteht nicht durch das Anwenden von Methoden, sondern durch das Gestalten von Zusammenarbeit. Wenn Teams anfangen, ehrlich miteinander zu sprechen, gemeinsam zu lernen und Verantwortung bewusst zu übernehmen, wird Agilität lebendig. Ganz unabhängig vom gewählten Framework.

Es beginnt nicht mit Tools, sondern mit Fragen:
Wie arbeiten wir eigentlich zusammen?
Was davon trägt uns?
Und was steht uns im Weg?

Genau an diesen Fragen zeigt sich, ob ein Team wirklich beweglich ist oder eben nur so tut.

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Reflexionsmomente: Ein bisschen Weiterbildung im Alltag