Retrospektiven neu denken: Jenseits von „Was lief gut, was lief schlecht?“

Retrospektiven sind das Herzstück agiler Zusammenarbeit. Sie sollen Teams dabei unterstützen, aus Erfahrungen zu lernen, Hindernisse früh zu erkennen und die Zusammenarbeit kontinuierlich zu verbessern. Doch in vielen Teams laufen sie nach einem gewohnten Schema ab: „Was lief gut? Was lief schlecht?“
Die Antworten sind oft wenig überraschend: „Zu viele Meetings“, „Kommunikation könnte besser sein“, „Mehr Fokus wäre gut.“

Grafik mit dem Text ‚Raus aus der Problem-Routine, rein in echte Entwicklung.‘ Daneben eine kleine Pflanze im Blumentopf als Illustration. Darunter ein Bildausschnitt mit handgeschriebener Überschrift ‚6-Phasen-der-Retro‘ auf einem Plakat

Ein paar Maßnahmen werden notiert, alle nicken und zwei Wochen später tauchen die gleichen Themen erneut auf.

Es lohnt sich, Retrospektiven neu zu denken: Weg vom Standard-Fragenkatalog, hin zu Formaten, die tiefere Erkenntnisse und echte Veränderungen ermöglichen.

Methode: Drei Ansätze für mehr Tiefe in Retrospektiven

Systemische Muster erkennen

Oft diskutieren Teams nur Symptome, statt den Ursachen auf den Grund zu gehen. Aussagen wie „Wir haben wieder zu viele Tickets parallel“ oder „Unsere Dailys sind ineffektiv“ zeigen nur die Oberfläche.

So wird es greifbarer:

  • Team-Soziogramm: Visualisiere, wer mit wem kommuniziert. Wo fließen Informationen? Wo gibt es Engpässe? Ein einfaches Diagramm macht informelle Strukturen sichtbar.

  • Zyklische Probleme aufspüren: Welche Themen tauchen regelmäßig auf? Ein Blick auf die letzten sechs Monate kann Muster und wiederkehrende Dynamiken offenlegen.

  • Perspektivwechsel wagen: Was würde ein neues Teammitglied oder ein Kunde wahrnehmen? Solche Fragen öffnen den Blick für blinde Flecken.

Emotionen einbeziehen

In vielen Retros wird vor allem über Prozesse gesprochen. Emotionen bleiben außen vor – obwohl sie die Zusammenarbeit stark beeinflussen.

Praktische Ansätze:

  • Gefühlslandkarte: Jedes Teammitglied markiert auf einer Skala oder einem Zeitstrahl, wie es sich während des Sprints gefühlt hat – von energiegeladen bis frustriert.

  • Mini-Storytelling: Statt Punkte zu sammeln, erzählen alle eine kurze Geschichte: Wann war ein Tiefpunkt? Wann gab es einen Aha-Moment?

  • Metaphern nutzen: „Wenn unser Team ein Tier wäre, welches wäre es – und warum?“ Solche ungewöhnlichen Fragen eröffnen neue Denkräume.

Die Kraft der Stille nutzen

Viele Retrospektiven sind geprägt von langen Diskussionen. Doch echte Erkenntnisse entstehen oft erst, wenn Stille zugelassen wird.

So kann Stille wirken:

  • Schweigende Reflexion: Nach einer Leitfrage halten alle ihre Gedanken schriftlich fest, bevor der Austausch beginnt.

  • Silent Retro: Alle Beiträge werden ausschließlich schriftlich auf Post-its oder digitalen Boards geteilt – ohne mündliche Erläuterungen.

  • Meditativer Einstieg: Eine Minute Augen schließen, tief durchatmen, den Sprint vor dem inneren Auge Revue passieren lassen. Das schafft einen bewussten Start und verändert die Qualität der Reflexion.

Retrospektiven als Raum für echte Entwicklung

Retrospektiven müssen nicht dazu dienen, die immer gleichen Probleme zu dokumentieren. Sie können Räume für mutige Gespräche, neue Perspektiven und nachhaltige Entwicklung schaffen. Wer sich traut, von klassischen Fragen abzuweichen und gezielt mit Mustern, Emotionen und Stille zu arbeiten, wird das volle Potenzial dieses Formats entdecken.

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Workshop: Agile Prinzipien im Team reflektieren