Retrospektiven, die wirken: Wie du dein Team aus der Problem-Routine holst
Retrospektiven sind eigentlich dafür da, echte Lernräume im Team zu schaffen. Doch wenn wir ehrlich sind, verkommen sie manchmal zu einem ritualisierten Pflichttermin: gleiche Fragen, ähnliche Antworten, wenig Veränderung. Die Luft ist raus, bevor es spannend wird.
Doch Retros können so viel mehr. Sie sind ein mächtiger Hebel für Team-Entwicklung – wenn wir sie bewusst auch mal anders gestalten. In diesem Beitrag zeige ich dir drei Hebel, wie du dein Team aus der Feedback-Routine holst und Retrospektiven wieder zu einem lebendigen Format machst.
Rollentausch: Die Perspektive wechseln
Wir bleiben oft in unseren gewohnten Denkbahnen. Was passiert, wenn wir sie mal bewusst verlassen?
Beim Rollentausch-Retro nimmt jedes Teammitglied für eine Phase der Retro eine andere Rolle ein – z. B. Product Owner, Scrum Master, Entwickler*in, Stakeholder. Dann reflektiert das Team den letzten Sprint aus dieser geliehenen Perspektive:
Was war aus Sicht dieser Rolle hilfreich – was hinderlich?
Welche Bedürfnisse, Spannungen oder Konflikte wurden vielleicht übersehen?
Was würde ich mir wünschen, wenn ich diese Rolle wirklich hätte?
Diese Übung fördert Empathie, erweitert das Verständnis für andere Sichtweisen und bringt häufig überraschende Erkenntnisse ans Licht – besonders, wenn Teammitglieder normalerweise wenig Kontakt zu Stakeholdern oder zum Management haben.
Zukunfts-Zeitsprung: Die Retro von morgen
Statt zurückzuschauen, reist ihr in die Zukunft. Das Format „Future Retro“ lädt das Team ein, sich in den nächsten Sprintabschluss zu versetzen – und aus der Zukunft eine Retro zu führen:
Stellt euch vor, der kommende Sprint war ein voller Erfolg – was war anders?
Welche Entscheidungen, Verhaltensweisen oder Rahmenbedingungen haben zu diesem Ergebnis geführt?
Was habt ihr weggelassen, verändert oder dazugelernt?
Das klingt erstmal spielerisch – ist aber ein wirklich gutes Werkzeug für lösungsorientiertes Denken. Es hilft Teams, sich mit positiven Zielbildern zu verbinden und konkrete, selbstwirksame Schritte zu identifizieren. Und: Die Stimmung in der Retro verändert sich oft spürbar – von frustriert zu inspiriert.
Räume für echte Begegnung schaffen
Retros müssen keine Problem-Schlacht sein. Sie können auch menschlich, überraschend und berührend sein – wenn wir Raum für echte Begegnung schaffen.
Ein Format, das ich liebe: „Ich sehe was, was du nicht siehst“. Alle schreiben auf, was sie/er im Team beobachtet hat – wertschätzend, ehrlich, konkret. Zum Beispiel:
„Ich sehe, wie viel du andere entlastest, ohne es an die große Glocke zu hängen.“
„Ich habe gemerkt, wie viel Energie dich die vielen Kontextwechsel kosten.“
Dieses Format stärkt Vertrauen und Sichtbarkeit – gerade in Teams, die viel remote arbeiten. Und: Es macht deutlich, dass eine Retro nicht nur Prozessoptimierung ist, sondern auch Beziehungspflege.
Auch Check-in-Fragen, die etwas tiefer gehen, wirken oft Wunder: Wann habe ich mich zuletzt richtig wirksam gefühlt? Wann war ich besonders gestresst? Die Antworten sind nicht nur informativ – sie verbinden.
Retros neu erleben
Retrospektiven sind mehr als eine agile Routine. Sie sind ein Möglichkeitsraum – wenn wir ihn bewusst gestalten.
Wer statt Checklisten echte Gespräche ermöglicht, wer systemische Muster sichtbar macht und wer die Zukunft (mit)denkt, wird erleben, wie Retros plötzlich wieder wirken.
Also: Zeit, die nächste Retro ein kleines bisschen anders zu machen.