Ohne psychologische Sicherheit wirkt Arbeit produktiv
— ist es aber nicht.
Psychologische Sicherheit wird oft so erzählt, als wäre sie das Sahnehäubchen auf der Zusammenarbeit. Ein nettes Extra, das man sich gönnt, wenn die Zahlen stimmen, wenn der Kalender nicht ganz so voll ist, wenn gerade ein bisschen Luft zum Durchatmen da ist. Dann können wir uns dann ja auch mal mit Vertrauen und Offenheit beschäftigen.
Da, wo der Druck steigt, wird psychologische Sicherheit als Luxus abgetan: „Dafür haben wir keine Zeit, wir müssen Ergebnisse liefern.“ Und genau in diesen Momenten passiert es: Teams ziehen sich zurück, Kritik wird verschluckt, Fehler werden schöngefärbt, Konflikte wabern unausgesprochen durch den Raum und werden zum Dauerhintergrundgeräusch, das alles zäher macht. Nach außen sieht es vielleicht nach Produktivität aus. Innen aber steckt das Team fest. Merkt nur keiner, weil dafür ist ja keine Zeit und irgendwie ist es halt auch “normal” geworden.
Psychologische Sicherheit macht Arbeit nicht einfach harmonischer. Sie macht sie anstrengender. Sie bringt Konflikte an die Oberfläche, sie sorgt für Widerspruch, sie macht sichtbar, wo Fehler passieren. Wer glaubt, psychologische Sicherheit bedeutet, dass sich alle mögen und ständig nett zueinander sind, verfehlt den Kern.
Psychologische Sicherheit heißt nicht: alle sind immer nett, wir halten uns an den Händen und reden über Gefühle. Psychologische Sicherheit heißt: Wir verschwenden keine Zeit damit, so zu tun, als sei alles in Ordnung. Wir reden über das, was uns wirklich bremst, auch wenn es wehtut.
Das klingt anstrengend? Ist es auch. Aber was ist anstrengender: ein offenes Gespräch, in dem ein Konflikt geklärt wird? Oder Monate voller unterschwelliger Spannungen, in denen jede*r genervt ist, aber keine*r es sagt?
Was kostet mehr: einmal klar zu benennen, dass ein Prozess nicht funktioniert oder wochenlang Arbeit in einem Ablauf zu versenken, den alle insgeheim schon aufgegeben haben?
Ich habe Teams erlebt, die in Meetings brav ihre Punkte gesammelt haben: „Kommunikation verbessern“, „Meetings straffen“, „mehr Fokus“. Klingt gut, macht sich schön auf Post-its und bleibt wirkungslos, weil die eigentliche Spannung nie ausgesprochen wird. Das wirkt nach außen produktiv: es gibt Protokolle, Maßnahmenlisten, Aktivitäten. Innen aber herrscht Stillstand.
Und ich habe Teams erlebt, in denen jemand das Schweigen gebrochen hat. Da wurde es unbequem, manchmal laut, manchmal chaotisch. Aber genau dann kam Bewegung rein. Entscheidungen wurden klar, Prozesse vereinfacht, Konflikte geklärt. Nicht, weil es nett war, sondern weil es ehrlich war.
Darum ist psychologische Sicherheit kein Sahnehäubchen und kein Luxus. Sie ist ein Effizienzfaktor. Sie spart Zeit, weil Konflikte nicht mehr umschifft werden, sie steigert Qualität, weil Fehler sichtbar und korrigierbar werden, sie erhöht Leistung, weil Energie nicht länger in Flurfunk und Selbstschutz verpufft, sondern in die Arbeit fließt.
Unbequem? Ja klar. Aber genau das macht sie wirksam.
Denn ohne psychologische Sicherheit sieht Arbeit vielleicht nach Produktivität aus. In Wahrheit ist sie nur Bewegung im Kreis.