Rollenverhalten oder echtes Ich? Warum Klarheit nicht Uniformität bedeutet
„So ist er halt.“, „Sie ist eben immer so vorsichtig.“ oder „Der ist halt der Visionär.“
Solche Sätze fallen in Teams schnell. Sie wirken harmlos, manchmal sogar anerkennend. Aber sie tun eines: Sie reduzieren Menschen auf das, was sie in ihrer aktuellen Rolle zeigen. Und genau das kann für Teams zum Problem werden.
Rollenverhalten ist nicht Identität
Rollen geben Orientierung. Sie helfen uns, Zusammenhänge zu verstehen, Verantwortlichkeiten zuzuordnen und Erwartungen zu klären. Aber eine Rolle zeigt nur einen Ausschnitt dessen, was eine Person kann oder ist. Kontext, Gruppendynamik und unausgesprochene Erwartungen prägen, wie jemand in einem bestimmten Setting agiert.
Die Kollegin, die „immer so kritisch“ ist? Vielleicht stellt sie unbequeme Fragen, weil sonst niemand den Mut dazu aufbringt.
Der „Visionär“? Vielleicht ist er nur der einzige, der sich traut, große Ideen zu äußern – nicht der einzige, der welche hat.
Und die „ruhige Kollegin“? Vielleicht wartet sie darauf, dass jemand den Raum öffnet, damit auch leise Stimmen Gehör finden.
Wenn Zuschreibungen zur Schublade werden
Was passiert, wenn wir Menschen zu stark mit ihren Rollen verschmelzen? Wir sehen nur noch die eine Facette und übersehen, wie viel größer ihr Beitrag sein könnte.
Vielfalt geht verloren: Neue Perspektiven kommen nicht zum Zug.
Menschen ziehen sich zurück: Wer auf „seine Rolle“ reduziert wird, hinterfragt sie irgendwann nicht mehr.
Teams verlernen Reflexion: Sie nehmen bestehende Dynamiken als gegeben hin, anstatt sie zu gestalten.
Was Teams tun können
Teams müssen nicht alle Rollen abschaffen, das geht auch gar nicht. Aber sie können lernen, Rollen als das zu sehen, was sie sind: flexibel, situationsabhängig und gestaltbar.
Erste Schritte für mehr Vielfalt
Rollenmuster erkennen: Wer füllt welche Rolle aus, und warum? Aus Überzeugung oder aus Gewohnheit?
Wahrnehmung teilen: Schafft Räume, in denen jede*r sagen kann: „So erlebe ich mich selbst. So werde ich gesehen.“
Zuschreibungen hinterfragen: Sind diese Etiketten hilfreich oder engen sie ein?
Mehrwert für dich
Möchtest du herausfinden, ob du Menschen im Team auf ihre Rolle reduzierst? Lade dir hier eine kurze Checkliste herunter und prüfe deine eigenen Zuschreibungen.
PDF-Download: Rollen-Zuschreibungen erkennen
Rollenklarheit als Teil psychologischer Sicherheit
Teams mit hoher psychologischer Sicherheit erlauben es, Zuschreibungen anzusprechen. Hier können Menschen sagen:
„So werde ich gerade wahrgenommen, aber das bin nicht ich.“, „Ich möchte mich zu anderen Themen einbringen.“ oder „Ich fühle mich mit dieser Zuschreibung unwohl.“
Das ist kein Chaos, sondern gelebte Vielfalt. Es macht Teams beweglicher und erlaubt es, Potenziale jenseits fester Rollen zu entdecken.
Impuls für dich und dein Team
Frag dich:
Wo habe ich im Team Verhaltensweisen gesehen und daraus Persönlichkeitsmerkmale gemacht?
Wo fühle ich mich selbst auf eine Rolle reduziert?
Was wäre ein kleiner erster Schritt, um Zuschreibungen im Team zu thematisieren?
Weiterdenken
Im Praxisguide „Praxistools für psychologische Sicherheit“ findest du Formate wie „Wie wir ticken“, die helfen, Zuschreibungen aufzudecken und die Vielfalt im Team wieder sichtbar zu machen.