Neue Rollen klären – ohne alte zu verteidigen
„Das haben wir immer so gemacht.“, „Aber das war doch bisher meine Aufgabe.“ oder „Wieso soll ich das plötzlich abgeben?“
Diese Sätze sind typisch, wenn Rollen im Team ins Wanken geraten. Sie klingen wie Verteidigungen und oft sind sie auch genau das. Rollen sind selten in Stein gemeißelt, doch wir verhalten uns manchmal so, als wären sie es.
Rollen im Wandel – ein dynamischer Prozess
Es braucht keinen großen Reorganisationsplan, damit Rollen wackeln. Ein Team wächst, Zuständigkeiten verschwimmen. Ein Kollege wechselt die Abteilung, und „der Rest“ soll seine Aufgaben übernehmen. Oder eine Führungskraft zieht sich aus operativen Themen zurück und plötzlich fragen sich alle: Wer entscheidet jetzt was?
In agilen Teams passiert das ebenso: Die Scrum Masterin übernimmt fachliche Verantwortung, weil es „niemand sonst macht“. Die Product Ownerin wird zur Mini-Managerin, weil alle Stakeholderfragen bei ihr landen. Im Pflegebereich springt der dienstälteste Kollege immer wieder ein, wenn neue Mitarbeitende unsicher sind – bis er kaum noch Zeit für seine eigenen Aufgaben hat. Und im Vertrieb füllt die „Lauteste“ Lücken im Meeting, obwohl das nie ihre Rolle war.
Warum Rollenklärung so schwer fällt
Rollen sind mehr als Aufgabenpakete. Sie sind oft eng verknüpft mit Identität, Status und Selbstbild:
„Das mache ich schon seit Jahren.“, „Ohne mich läuft dieser Bereich doch nicht.“ oder „Wenn ich das abgebe, was bleibt dann noch von meiner Rolle?“
Dazu kommt die Angst vor Konflikten. Es ist bequemer, Dinge laufen zu lassen, als den Elefanten im Raum anzusprechen: Wer macht in Zukunft was und warum eigentlich?
Rollenklärung braucht Mut auf allen Seiten: den Mut, abzugeben, den Mut, anzunehmen, den Mut, Erwartungen und Unsicherheiten offen auszusprechen.
In Teams mit hoher psychologischer Sicherheit können Menschen genau das tun:
„Ich bin unsicher, ob ich dieser neuen Verantwortung gerecht werde.“ „Ich habe das Gefühl, dass meine bisherige Rolle verschwimmt.“ Oder: „Ich würde gerne mehr Verantwortung übernehmen – was sagt ihr dazu?“
Ohne Angst vor Gesichtsverlust. Ohne Sorge, schwach oder übergriffig zu wirken.
Was Teams tun können
Rollenklärung muss kein Großprojekt sein. Sie kann klein beginnen, z. B. mit der Bereitschaft zuzuhören und gemeinsam herauszufinden, was gerade gebraucht wird.
Erste Schritte für Rollen im Wandel
Aktuelle Rollen sichtbar machen: Wer hat aktuell welche Aufgaben? Was ist offiziell, was ist „einfach so gewachsen“? Wo gibt es Doppelungen oder Lücken?
Erwartungen abgleichen: Was erwarten Teammitglieder voneinander? Welche Rollenbilder sind hilfreich? Wo braucht es Veränderung?
Räume für Neuverhandlung schaffen: Können Aufgaben neu verteilt werden? Ist Rotation sinnvoll? Wie verhindern wir, dass neue Rollen wieder zu starren Zuschreibungen werden?
Impulse für dich und dein Team
Frag dich:
Wo halte ich an einer Rolle fest, obwohl sie nicht mehr zu mir oder zum Team passt?
Wo fülle ich Lücken auf, ohne dass es jemals ausgesprochen wurde?
Was wäre ein kleiner erster Schritt, um Rollen im Team wieder ins Gespräch zu bringen?
Weiterdenken
Im Praxisguide „Praxistools für psychologische Sicherheit“ findest du Workshop-Formate wie das Delegation Board und „Wie wir ticken“. Sie helfen Teams, Rollen zu reflektieren, neu zu verteilen und die Menschen hinter den Rollen sichtbar zu machen.