Teams brauchen mehr als gute Absichten
Es gibt in fast jedem Team diese vertrauten Sätze, sie tauchen auf in Retros, in Kick-offs, in Feedbackrunden, eigentlich überall dort, wo Zusammenarbeit Thema wird. Sätze wie: „Wir sollten mehr miteinander reden.“, „Lass uns offener mit Fehlern umgehen.“, oder „Wir brauchen mehr Verbindlichkeit.“ Das sind gute, richtige, wertvolle Sätze und doch bleiben sie, so ehrlich sie gemeint sind, oft in der Luft hängen, wie bunte Post-its, die kurz leuchten und dann verblassen.
Denn zwischen dem Erkennen, dass sich etwas ändern sollte und der tatsächlichen Veränderung liegt eine Lücke und genau dort geht es verloren: das Momentum, der Impuls, die Energie. Was fehlt, ist nicht der Wille, sondern die bewusste Vereinbarung.
Absicht ist nicht gleich Vereinbarung
Viele Teams glauben, sie hätten Vereinbarungen, dabei haben sie meist nur gute Absichten. Sätze, die wohlklingen, aber wenig bedeuten, weil niemand so richtig weiß, wie sie im Alltag aussehen sollen.
„Wir gehen respektvoll miteinander um“ – ja, klar.
Aber was heißt das eigentlich, wenn die Deadline drückt, wenn jemand genervt reagiert, wenn zwei Personen völlig unterschiedlich kommunizieren?
Eine echte Vereinbarung ist kein Satz fürs Flipchart und auch keine Fußnote im Wiki. Sie entsteht dort, wo ein Team gemeinsam innehält, sich ehrlich fragt, was es braucht und das so konkret benennt, dass man später daran erkennen kann, ob man es lebt oder nicht.
Dazu gehört Kontext, also ein echtes Bedürfnis oder ein wiederkehrendes Problem.
Dazu gehört Konkretion, also greifbare Sprache, die sich überprüfen lässt.
Und dazu gehört Konsequenz, also die Bereitschaft, später noch einmal hinzuschauen, ob man sich daran hält und wenn nicht, warum nicht.
Ein Beispiel: Pünktlichkeit
Ein Klassiker: Das Team beschließt, dass Meetings pünktlich starten sollen. Alle nicken, man ist sich einig – klingt ja vernünftig. Zwei Wochen später beginnt wieder alles fünf Minuten später und die Begründungen sind die alten: „Die Technik …“, „Ich war noch im anderen Call …“, „Das war nur kurz …“
Das Problem ist nicht fehlender Wille, sondern fehlende Klarheit. Denn was bedeutet pünktlich eigentlich? Zur Uhrzeit eingeloggt sein? Bereit, aufmerksam, mit eingeschalteter Kamera? Oder reicht es, irgendwie dabei zu sein, während man noch eine Nachricht schreibt?
Ein Team, das das ernsthaft bespricht, kommt schnell zu einer anderen Tiefe: Warum ist uns das wichtig? Was verlieren wir, wenn wir zu spät starten? Und wie wollen wir’s konkret machen?
Dann könnte am Ende eine Vereinbarung stehen wie:
„Unsere Meetings starten zur vollen Uhrzeit. Wer sich verspätet, gibt kurz im Chat Bescheid. Wir beginnen pünktlich, auch wenn jemand fehlt.“
Klingt banal, ja. Aber genau da liegt der Unterschied zwischen „Wir müssten mal …“ und „So machen wir’s“ und dieser Unterschied ist riesig.
Was gute Arbeitsvereinbarungen ausmacht
Gute Vereinbarungen sind keine Wunschlisten und keine schönen Worte. Sie sind gelebte Entscheidungen, die man spürt, weil sie Wirkung zeigen. Sie sind praktisch, alltagstauglich, ehrlich und sie überleben auch dann, wenn der Workshop vorbei ist.
Solche Vereinbarungen sind:
aus dem Team heraus entstanden, nicht verordnet oder übernommen,
konkret formuliert, so dass man sie im Alltag erkennen kann,
lebendig gedacht, also anpassbar, wenn sich etwas verändert,
regelmäßig überprüft, z. B. in Retros oder in Teammeetings,
verbindlich, aber nicht starr, also mit Haltung, aber ohne Bürokratie.
Eine gute Vereinbarung ist kein Papier, das man abheftet, sondern ein gemeinsames Versprechen: ein kleines Stück gelebte Kultur.
Vereinbarungen als Kulturarbeit
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Arbeitsvereinbarungen sind kein Tool, sie sind Kulturarbeit. Denn sie zeigen, was einem Team wirklich wichtig ist, nicht in Leitbildern, sondern in Verhalten. Wenn ein Team sagt, „Transparenz ist uns wichtig“, ist das ein Satz. Wenn ein Team aber vereinbart, „Alle Entscheidungen werden so dokumentiert, dass sie für andere nachvollziehbar sind“, dann wird daraus eine Haltung.
So werden Werte sichtbar, nicht als Überschriften, sondern als Handlungen. Da beginnt Kultur: im Tun, nicht im Reden.
Vereinbart, was euch wirklich wichtig ist
Teams brauchen keine perfekten Prozesse und oft keine großen Frameworks. Sie brauchen Klarheit. Klarheit darüber, was sie wirklich wollen, wie sie miteinander arbeiten und was ihnen hilft, wenn es schwierig wird.
Eine gute Vereinbarung ist kein Kontrollinstrument, sondern eine Einladung. Sie schafft Orientierung, bevor Konflikte entstehen. Sie spart Energie, weil man nicht jedes Mal neu aushandeln muss, wie man etwas meint. Und sie zeigt: Wir nehmen uns und unsere Zusammenarbeit ernst, nicht nur unsere Aufgaben.
Wenn Teams anfangen, Vereinbarungen nicht als Pflichtübung, sondern als Ausdruck ihres Miteinanders zu verstehen, dann verändern sich Dinge ganz von selbst. Dann geht es nicht mehr darum, Regeln zu befolgen, sondern gemeinsam Haltung zu leben.